Christian Rendel Texte und Übersetzungen: Belletristik, Biografien, Sachbücher, Stoffentwicklung und Drehbücher

Margot Käßmann, covfefe und die „Nichtregierungs-organisationen“

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Vor ein paar Tagen sah ich eine Grafik, die sehr schön anschaulich machte, wie sich Margot Käßmanns Äußerungen über die AfD auf dem Kirchentag im Internet verbreitet haben, wer sie wann und wie verfälscht und wer aus den Verfälschungen dann Hetzer-Memes gemacht hat und so weiter. Sehr aufschlussreich.

So eine Grafik über Donald Trumps „covfefe“-Tweet mit all seinen lustigen Ablegern wäre bestimmt auch sehr schön bunt und vielfältig verzweigt.

Richtig neugierig wäre ich allerdings mal darauf, wie es aussähe, wenn man die Verbreitung des Wortes „Nichtregierungsorganisation“ auf diese Weise darstellen würde. Wobei die Grafik dann natürlich nicht nur das Internet, sondern auch die Printmedien, Rundfunk und Fernsehen erfassen müsste.

„Nichtregierungsorganisationen“ sind so ein Lieblingsärgernis von mir. (Das wäre auch mal ein schöner Wettbewerb für Übersetzer: Wem fällt die beste deutsche Entsprechung für „pet peeve“ ein?) Immer, wenn ich das Wort lese oder höre, durchfährt es mich wie ein plötzlicher Zahnschmerz.

Dabei will ich dem unbekannten Urheber gar keinen Vorwurf machen. Vermutlich war es ein gestresster Journalist, der kurz vor Redaktionsschluss noch einen Artikel fertig machen musste und dem auf die Schnelle keine bessere Übersetzung für „non-government organization“ einfiel. Passiert auch den Besten.

Nein, was mich ärgert, ist die Tatsache, dass seither buchstäblich die gesamte deutschsprachige Medienlandschaft diese missglückte Notlösung gedankenlos übernommen hat. Sogar in den Duden hat es dieses Monster von einem Wort inzwischen geschafft.

Dabei ist „Nichtregierungsorganisation“ nicht nur stilistisch ein Griff in die Häckselmaschine, sondern auch als Übersetzung schlicht falsch. Deshalb hier eine kleine Englischstunde für Journalisten:

„Government“ muss nicht unbedingt „Regierung“ heißen. Das Wort kann je nach Kontext (auch so ein Übersetzerding) auch eine Reihe anderer Bedeutungen haben – zum Beispiel „Staat“. Das ist etwas anderes als eine Regierung. Im Kontext der NGOs trifft „Staat“ das Gemeinte erheblich besser als „Regierung“.

Dazu kommt die schöne Flexibilität der englischen Sprache, die aus einem Substantiv kurzerhand ein Adjektiv machen kann, ohne dass es seine Gestalt verändert. „Government“ kann also auch „staatlich“ heißen. In Verbindung mit der negierenden Vorsilbe „non-“ muss es das sogar. Ein „Nichtstaat“ ergibt schließlich keinen Sinn, „nichtstaatlich“ dagegen schon.

„Non-government organization“ heißt also ganz schlicht „nichtstaatliche Organisation“. Ist doch gar nicht so schwer, oder?

Die ersten zehn Journalisten, die den Kampf gegen das Wortungetüm aufnehmen und in einem überregionalen Medienbeitrag stattdessen „nichtstaatliche Organisation“ schreiben oder sagen, bekommen von mir gegen Vorlage des Belegs eine Toblerone und einen Platz in meiner persönlichen Ruhmeshalle. (Wenn ihr keine Toblerone mögt und lieber was anderes naschen wollt, lasst es mich wissen.)

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